David Fincher, bekannt geworden als Regisseur von Thrillern wie Se7en und Zodiac, und vor allem als Produzent der Netflix-Serie House of Cards, hat sich die späten 1970-er und frühen 1980-er Jahre als Kulisse für eine dunkle Thriller-Serie genommen, die wieder vom Streaming-Anbieter Netflix finanziert wurde.
In Mindhunter, so der Serientitel, bringen uns die beiden FBI-Agenten Holden Ford und Bill Tench, die in der Abteilung für Verhaltensforschung (Behavioral Science Unit) arbeiten – das war zu jener Zeit eine innerhalb der FBI-Ausbildungsakademie bestenfalls geduldete, unterdotierte Miniabteilung – eine Epoche nahe, in der es mehr oder weniger Common Sense war, dass kriminell Gewordene das »Böse« bereits in sich tragen, wenn sie zur Welt kommen. In der polizeilichen Ermittlungsarbeit jener Jahre, im Ausforschen von Mehrfachtätern, spielten soziologische und psychologische Hintergründe (Klassenzugehörigkeit, Familienstruktur etc.) bei der Erstellung von Täterprofilen nahezu keine Rolle. Tatortspuren und einschüchternde Verhörmethoden, nicht die Mechanismen, die das »Böse« produzieren, waren das Um und Auf der Ermittlungsarbeit, um Täter zu überführen und hinter Gitter zu bringen – und Mörder, wenn möglich, auf den elektrischen Stuhl.
Die beiden Agenten – die wissenschaftliche Unterstützung erhalten sie von der Psychologin Wendy Carr – bewegen sich quer durch die Vereinigten Staaten, reisen zumeist im Flugzeug von Bundesstaat zu Bundesstaat, halten Vorträge in den FBI-Ausbildungsstätten und unterstützen laufende Ermittlungen lokaler Polizeibehörden. Und sie interviewen, anfänglich nur in ihrer Freizeit, die bekanntesten Massenmörder des Landes, die in den Gefängnissen oder psychiatrischen Anstalten einsitzen. Diese ausführlichen Gespräche mit Psychopathen bilden das Grundgerüst der Serie.
Mindhunter zeigt die Anfänge der Kriminalpsychologie und basiert auf den Büchern des FBI-Agenten John E. Douglas, der einer der ersten Fallanalytiker gewesen ist (den Begriff »Profiler« gab’s noch nicht), der selbst 36 »Serienmörder« – auch das ein Begriff, der erst erfunden werden musste – eingehend befragte, um Ähnlichkeiten, aber auch Abweichungen im Verhalten der Killer zu finden. Anhand dieser Gespräche wurden Täter-Kategorien gebildet, die sodann als Screening Vorlage bei der Suche nach noch aktiven Serienmördern genutzt wurden.
Fincher führt uns in das Amerika nach Watergate und Vietnam, also in ein geprügeltes und desillusioniertes Land, voller beschädigter Typen. Auch Charles Manson und seine Jünger kommen vor. Ein interessanter Nebenstrang, der an Quentin Tarantinos Once upon a time in Hollywood erinnert – auch, weil Manson, sowohl in Mindhunter als auch in Tarantinos Film, vom australischen Schauspieler Damon Herriman dargestellt wird. Die brutalen Morde der »Manson Family« an der schwangeren Sharon Tate und ihren Freunden im Sommer 1969 in Los Angeles markierten einen tiefen Einschnitt in der Geschichte der US-amerikanischen Gegenkultur, und läuteten, zusammen mit dem im Dezember desselben Jahres stattgefundenen Altamont Festival, den Beginn vom Ende der Hippie-Ära der 1960-er Jahre ein.
In der zweiten Staffel, die Anfang der 1980-er Jahre spielt, amtiert in der Behavioral Science Unit ein neuer Chef, der das Profiling befürwortet. Im Zentrum stehen ungeklärte Morde an schwarzen Kindern und Jugendlichen in Atlanta – ein wahrer Fall, der als »Atlanta child murders« zu jener Zeit in den USA für großes Aufsehen gesorgt hat.
Grandiose Serienkost, die einen präzisen Blick auf die Realverfassung der USA der 1970-er und 1980-er Jahre wirft – mit allen bis ins Heute andauernden Kontinuitäten.