Am 19. April 1989 wird im New Yorker Central Park eine Joggerin halbtot geschlagen und brutal vergewaltigt. Zur gleichen Zeit feiert eine Gruppe Jugendlicher, Schwarze und Latinos aus Harlem, in einem anderen Gebiet des riesigen Parkareals ausgelassen die laue Nacht, einige von ihnen belästigen Radfahrer und Jogger. Die Polizei taucht auf und nimmt ein duzend Jugendliche mit aufs benachbarte Revier. Unterdessen wird die Schwerstverletzte 28-jährige Trisha Meili gefunden. Die weiße Frau, eine Investmentbankerin, wird nach 12 Tagen im Koma erwachen, fortan an Bewegungsstörungen leiden und sich an diese Nacht nicht mehr erinnern.
Das Verbrechen sorgt für enorme mediale Aufmerksamkeit – die Vergewaltigungen haben in New York in den Monaten davor zugenommen –, die Ermittlungsbehörden geraten massiv unter Druck. Entgegen allen Fakten wird ein Zusammenhang zwischen den auf dem Polizeirevier befindlichen Jugendlichen und der Vergewaltigung hergestellt. Fünf minderjährige Jugendliche im Alter zwischen 14 und 16 Jahren, die sich untereinander nicht kennen, werden – ohne ihre Eltern zu informieren und nachdem sie unter Druck eine Verzichtserklärung auf Rechtsbeistand unterzeichnet haben –stundenlangen, brutalen Verhören unterzogen. Sie werden mit erfundenen Behauptungen dazu gebracht, sich gegenseitig zu bezichtigen. Monate später kommt es zum Geschworenenprozess. Die Black Community demonstriert vor dem Justizgebäude für die Freilassung der Inhaftierten. »There was no rape!« und »Let them free!« steht auf den Plakaten. Auf der anderen Seite, die von den Medien aufgeheizte Bevölkerungsmehrheit. Einer, der mitmischt, ist auch der heute amtierende US-Präsident, damals Immobilientycoon und Multimillionär. Vor dem Geschworenenverfahren lässt Donald Trump in den großen New Yorker Tageszeitungen ganzseitige Inserate schalten mit der Headline, »Wir brauchen die Todesstrafe wieder!«.
Yusef Salaam, Antron McCray, Raymond Santana, Kevin Richardson und Korey Wise, die »Central Park Five«, wie sie in den Medien genannt werden, werden zu Haftstrafen zwischen 6 und 14 Jahren verurteilt (Korey Wise, der bereits 16 Jahre alt ist, wird in den Erwachsenenvollzug kommen), obwohl alle Indizien gegen eine Beteiligung sprechen und die Polizei keinerlei verwertbares DNA-Material gefunden hat. Verurteilt werden die Fünf aufgrund von Aussagen, die ihnen die Polizisten in den Mund gelegt haben. Diese erzwungenen Geständnisse, auf Video gebannt, führten zur Verurteilung. Sie gestanden die Tat, obwohl sie nichts damit zu tun hatten. Erst im Jahre 2002 stellt sich der wahre Täter, was auch aufgrund moderner DNA-Analyse untermauert werden kann. Das Strafregister der Fünf wird bereinigt und sie erhalten eine Entschädigung von 41 Millionen Dollar. Die korrupten Polizisten und Staatsanwälte werden nicht belangt. Und Trump beharrte noch 2016 als Präsidentschaftskandidat auf der Schuld der »Central Park Five«.
Diesen wahren Fall nimmt die Netflix-Miniserie, When They See Us, von der Filmregisseurin Ava DuVernay, zum Anlass, um das US-amerikanische Strafverfolgungssystem, dessen Rassismus und Klassenjustiz, auszuleuchten und anzuklagen. Vor allem sozial deklassierte und einkommensschwache Gruppen, in denen Schwarze und Latinos überproportional zu finden sind, kommen in diesem System unter die Räder. When They See Us zeigt in vier Folgen die Tatnacht, die Polizeiverhöre, das Gerichtsverfahren, die Zeit im Gefängnis und die Zeit danach, als die mittlerweile erwachsenen Männer verzweifelt versuchen, wieder in ein halbwegs geordnetes Leben zurückzufinden. Und im Filmabspann verwandeln sich die Gesichter der Schauspieler langsam in die »echten« Männer, und wir erfahren, wie sich ihr weiteres Leben entwickelt hat. Eine großartige, zutiefst berührende Miniserie!