Aller Voraussicht nach werden bei den Nationalratswahlen am 28. September, neben den bereits im Parlament vertretenen politischen Hooligans von FPÖ und BZÖ, noch zwei weitere obskure politische Gruppierungen antreten, sofern sie sich nicht ohnehin auf ein Wahlbündnis verständigen sollten: Nämlich die Unabhängige Bürgerinitiative – Rettet Österreich, die unter offener publizistischer Unterstützung der Kronen-Zeitung in den letzten Monaten gegen die Ratifizierung des EU-Vertrages von Lissabon durch das österreichische Parlament massiv agitiert hat, und die Liste Fritz Dinkhauser – Bürgerforum Tirol des Tiroler Arbeiterkammer Präsidenten und nach wie vor ÖVP-Mitglieds Fritz Dinkhauser, die bei den Tiroler Landtagswahlen für ein „neues, bürgerlich-soziales Tirol“ aus dem Stand 18,3% der Wählerstimmen erhalten hat.
Die „Österreich Retter“ nennen auf ihrer Website als Hauptmotive für ihr Antreten bei der Wahl, „dass die Unfähigkeit und Gleichgültigkeit der Politiker gegenüber dem Volk unsere noch gute Lebensqualität jetzt aktiv bedroht!“ und dass der EU-Vertrag von Lissabon, „weg muss, denn dieser würde unsere Lebensqualität weiter entscheidend verschlechtern!“
Vor allem der EU-Vertrag von Lissabon hat es den „einfach Bürgerinnen und Bürger, Steuerzahler, Familien, usw., die keiner politischen Partei oder einer anderen öffentlich geförderten Institution angehören„, wie sich die Retter des Heimatlandes selbst bezeichnen, angetan. Unter Verweis auf Punkt 17 der Erläuterungen zum Vertrag von Lissabon wird eine paranoide Panikmache betrieben:
„Wir und damit Österreich dürften ohne der EU überhaupt nichts mehr selber entscheiden! In unserem eigenen Land! Nicht einmal über unsere lebensnotwendige Infrastruktur (Energie, Nahrung, Verkehr, etc.) dürfen wir selbst bestimmen. (17. Erklärung zum EU-Vertrage) Dort steht dies schwarz auf weiß! …„
Was dort „schwarz auf weiß“ steht, und selbstverständlich nicht „geheim gehalten“ wird (wie von den Paranoikern behauptet), sondern auf der EU-Rechtsseite abrufbar ist, ist die Binsenweisheit, wonach
„die Verträge und das von der Union auf der Grundlage der Verträge gesetzte Recht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der EU unter den in dieser Rechtsprechung festgelegten Bedingungen Vorrang vor dem Recht der Mitgliedstaaten haben„.
Was hier „schwarz auf weiß“ steht, ist einer der Grundpfeiler des Gemeinschaftsrechts, nämlich der Vorrang des EU-Rechts in jenen Bereichen, in denen die Mitgliedstaaten eine gemeinsame (=EU) Zuständigkeit anerkannt und vereinbart haben (und nur um diese Bereiche geht es!). Eine ausschließliche Zuständigkeit der EU gibt es in den Bereichen Zollunion, Festlegung der Wettbewerbsregeln, Währungspolitik für die EURO-Zone, gemeinsame Fischereipolitik, gemeinsame Handelspolitik, Abschluss internationaler Abkommen. That’s it! Überall sonst gibt es geteilte Zuständigkeiten zwischen EU und den Mitgliedstaaten. Außerdem ist alles durch den Europäischen Rat, wo jeder Mitgliedstaat vertreten ist, wieder veränderbar.
Wiewohl das Programm der Liste Fritz für die Tiroler Landtagswahlen in Ansätzen durchaus vernünftige Ideen enthält, und Dinkhausers Kampf gegen den reaktionären Tiroler Bauernbund absolut zu begrüßen ist, diskreditiert sich der selbsternannte Volkstribun allein schon auf Grund der Gespräche, die er im Hinblick auf ein bundesweites Antreten gegenwärtig mit diversen Dumpfbacken führt (neben den „Österreich-Rettern“ etwa mit dem rechtsextremen ehemaligen burgenländischen FPÖ-Chef Wolfgang Rauter und mit Hans Peter Martin, der allerdings bereits abgewinkt hat).
Auf der Website der Liste Dinkhauser finden sich unter der Überschrift „Hart in der Sache herzlich im Umgang mit Menschen“ u.a. folgende zur Heiterkeit anregende Passagen über den „Fritz aus Tirol„:
„Ein Mann mit Mut und Dynamik, kein bequemer Politiker, sondern einer, dem kein Eisen zu heiß, kein Problem zu klein und kein Gegner zu mächtig ist, als dass er sich nicht mit vollem persönlichen Einsatz an die Lösung der Aufgaben machen würde. Sein Platz ist immer auf der Seite der Menschen, (…)
Der „Fritz“, wie ihn die meisten, denen er begegnet, auf Anhieb nennen, nutzt jede Gelegenheit, einige persönliche Worte zu wechseln und hat immer ein offenes Ohr für die Sorgen, Ängste und Nöte seiner Mitmenschen. Er ermutigt die Tiroler, aufrecht zu gehen, die eigene Meinung zu vertreten, nicht zu ducken, sondern aufzumucken. (…)
Ob bei den Schützen oder den Schafzüchtern, bei Jungbürgerfeiern oder Vernissagen: Fritz Dinkhauser ist überall ein gern gesehener Gast, ein interessanter Gesprächspartner und ein guter Zuhörer.(…)
Um selbst auf dem Laufenden zu bleiben, liest er viel, informiert sich und sucht ständig den Kontakt zu Experten. Er hinterfragt bei allen persönlichen Begegnungen tagesaktuelle Ereignisse – hört, was die Menschen sagen und will wissen, was sie denken. Seine Ideen und Vorstellungen notiert er ständig, ob auf Schmierzettel oder Servietten. Die rechte Seitentasche seines Sakkos ist voll mit diesen Notizen. Seine größte Schwäche ist seine Ungeduld. Er kann nur schwer akzeptieren, wenn sich seine Vorstellungen und Überlegungen nicht sofort umsetzen lassen. (…)
Trotz seiner knapp bemessenen Freizeit widmet sich der fünffache Vater am liebsten seiner Großfamilie. Besondere Höhepunkte sind die gemeinsamen Familienfeiern, wie Geburtstage, Weihnachtsfeiern im Wald sowie der allsommerliche Ferienaufenthalt im Innviertel. Um auch den eigenen Kindern stressfreien Urlaub zu gönnen, verreist das Ehepaar Heidi und Fritz mit den Enkelkindern. So ein Urlaub hält jung.(…)„
Glaubt man den Meinungsforschern, dann lässt sich der Einzug des Tiroler Menschenfreundes in den Nationalrat kaum verhindern. Woher sollen die Wählerstimmen kommen? Laut einer vom SORA-Institut durchgeführten Wählerstromanalyse zur Tiroler Landtagswahl konnte Dinkhauser vor allem bei ehemaligen SPÖ- und Grün-Wählern punkten und hauptsächlich aus dem Reservoir der ehemaligen Nichtwähler schöpfen. Die Wählerstromanalyse der Universität Wien (Erich Neuwirth) zeigt hingegen, dass Dinkhauser bei den Landtagswahlen – neben bisherigen Nichtwählern – hauptsächlich von ehemaligen VP- und Grün-Wählern Stimmen bekam. Die hohen Verluste der SPÖ resultieren daher, so Neuwirth, dass über 40% ehemaliger SPÖ-Wähler weiß wählten oder gar nicht zur Wahl gingen. (Für die Neuwirth-Analyse spricht, dass auch die Senkung des Wahlalters sowie demographische Veränderungen stärker berücksichtigt wurden, als bei der SORA-Analyse.)