Die Spannung bei den US-amerikanischen Vorwahlen steigt. Der 5. Februar 2008, der so genannte „Super Tuesday„, an dem sich voraussichtlich entscheiden wird, wen die Demokraten und die Republikaner für die Präsidentschaftswahlen am 4. November 2008 nominieren, rückt näher. Auf Grund der von den Massenmedien als Show-Down zwischen der Favoritin Hillary Clinton und dem Herausforderer Barack Obama inszenierten Kandidatenkür bei den Demokraten habe ich nicht registriert, dass auch die Green Party eine Kandidatin für die Präsidentschaftswahlen nominiert hatte. Da mir die US-amerikanischen Grünen nur als indirekte Unterstützer der Wiederwahl von Georg W. Bush in Erinnerung waren – das Antreten von Ralph Nader bei den letzten US-Präsidentschaftswahlen im Jahre 2004 hat bekanntlich Al Gore um die Präsidentschaft gebracht -, war ich zunächst erleichtert, als ich der jüngsten Ausgabe der Jungle World – in der Einleitung zu einem Interview mit Elaine Brown, der von den US-Grünen nominierten Kandidatin – entnehmen konnte, dass diese ihre Kandidatur mittlerweile wieder zurückgezogen hatte. Sieh’ an, dachte ich mir, die Grünen haben es endlich kapiert, dass in einem Wahlsystem, das nach dem „the winner takes all„-Prinzip konzipiert ist, die Linken/Liberalen/Grünen usw. nur dann eine Chance haben, wenn sie sich nicht gegenseitig die Stimmen wegnehmen.
Dann las ich das Interview. Dann begann ich zu recherchieren, und verschaffte mir Infos zu Elaine Brown, die von 1974 bis 1977 Vorsitzende der Black Panther Party war. Dann las ich das Interview nochmals. Brown erzählt darin, dass sie sich deshalb von den Grünen aufstellen ließ, weil sie deren Wahlkampfmaschinerie nutzen wollte, „um Nichtwähler aus den unteren Milieus zur Wahl zu bewegen“, und weil diese Partei die einzige war, die sich gegen die während der Präsidentschaft von Bill Clinton in vielen Bundesstaaten eingeführten „Three strikes Laws“ ausgesprochen hat. Diese, dem Resozialisierungsgedanken widersprechenden Strafgesetze ermöglichen dem Justizapparat die Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafen für zweimal rückfällig gewordene Straftäter – de facto unabhängig von der Schwere der Vergehen. Mit ein Grund dafür, dass sich die Zahl der Häftlinge in US-Gefängnissen innerhalb von zehn Jahren verdoppelt hat. (vgl. dazu die Reportage in Telepolis)
Eines der Bücher von Elaine Brown trägt den Titel New Age Racism. Mit diesem Begriff benennt sie Ideologien, die nicht nur in den USA, sondern mittlerweile in allen modernen Industriegesellschaften common sense geworden sind. Ihre Funktion besteht darin, dass durch Appelle an die Eigenverantwortung, gemäß dem Motto, Wenn du dich richtig ernährst, erkrankst du auch nicht an Krebs, die Ursachen für soziale Probleme nicht mehr in gesellschaftlichen Verhältnissen gesucht werden, sondern im individuellen Verhalten. In dem Interview sagt Brown:
„Clintons Botschaft war, dass es keinen Rassismus mehr gibt. Die Schwarzen waren doch frei, aber sie haben ihre Freiheit vermasselt. So wie man uns weismachen will, dass der Klimawandel deswegen eintritt, weil wir das falsche Haarspray benutzen, will man nicht länger über die Verhältnisse reden, die dazu führen, dass die Hälfte aller Gefängnisinsassen der USA schwarz sind, obwohl der Anteil der Schwarzen an der Gesamtbevölkerung nur 13 Prozent beträgt. Die Missstände seien nicht länger eine Frage des Kapitalismus oder des Rassismus, sondern eine Frage des schlechten Benehmens Einzelner. Das ist die Ideologie des New Age.„
An diesem ideologischen Konzept kratze auch ein demokratischer Präsidentschaftskandidat Barack Obama nicht, sondern er legitimiere, wie Brown nüchtern festhält, „das Bedürfnis der weißen und schwarzen Mittelklasse, endlich nicht mehr über Sklaverei, Rassismus und soziale Probleme reden zu müssen„. Und weiter: „Es gibt eine Reihe Schwarzer, vor allem aus der Mittelklasse, die ihn unterstützen. Aber in den Ghettos, in den armen Familien, unter den Crack-Abhängigen, in den Familien, deren Angehörige im Gefängnis sitzen, gilt Obama nicht als eine Figur der Hoffnung. Die Leute, die in Obama eine Hoffnung sehen, sind mit den bestehenden Verhältnissen zufrieden.„
Zur Vertiefung:
Video-Vortrag von Elaine Brown vor Studenten über New Age Racism.
Danke für die Vorstellung von Elaine Brown und überhaupt…dein Blog ist ganz groß!