Mitten auf der Bühne des Arkadenhofs im Wiener Rathaus steht der Thron. Es ist kurz nach 22.00 Uhr. Nach wie vor brütende Hitze. Ob es der bislang heißeste Tag des Jahres war, wie von Meteorologen prognostiziert? Das weiß ich nicht. Aber es ist mit Sicherheit die heißeste Nacht: Jetzt kommen nämlich Jay Bellerose (Schlagzeug, Perkussion), Chris Bruce (Gitarre), David Palmer (Piano), David Piltch (Bass), Daniel Lanois (Gitarre), Bennie Wallace (Saxophon) und – yes, yes, yes – Rudy Copeland (Orgel) in Begleitung einiger Backgroundsängerinnen auf die Bühne. Sie legen los, „easy“ noch, very „easy„, wie ihr Meister immer wieder im Laufe des Abends sagen wird, und dann wird Mr. Solomon Burke auf die Bühne chauffiert, im Rollstuhl, bis zum Thron, dessen Besteigung ihm einige kräftige Männer erleichtern, schließlich ist der gute Mann auf Grund seiner durchaus als „stattlich“ zu bezeichnenden Körperfülle nicht mehr der Beweglichste. Wozu auch: Wer 72 Jahre auf dem Buckel hat und Solomon Burke heißt, hat alles Recht der Welt, den Thron nicht allen besteigen zu müssen. Außerdem verstummen allfällige Pflegefall-Assoziationen spätestens dann, wenn Burke seine Stimme erhebt. Denn, spätestens dann ist allen Anwesenden klar, auch den Atheisten und sonstigen Zweiflern: God is with us tonight!
In den kommenden zwei Stunden zelebriert der Meister aus Philadelphia sein Hochamt mit Perlen aus dem „Don’t give up on me„-Comeback-Album von 2002 („Soul Searchin‘„, „Flesh and Blood“ und dem Titelsong), für das er auch einen Grammy Award erhielt, mit Songs aus dem kürzlich erschienen „Like a fire„-Album („We Don’t Need It„, „A Minute To Rest And A Second To Pray„) sowie mit hinreißenden Cover-Versionen von Jahrhundertsongs wie Otis Reddings „Sittin’ on the dock of the bay„, Ray Charles´ „I can’t stop lovin’ you“ oder Ike & Tina Turners „Proud Mary„. Dann: „Georgia on my mind„, diese beinahe totgespielte Nummer. Wer bei dieser Interpretation nicht in die Knie geht, der kann nicht von dieser Welt sein. Auch eine seiner Töchter darf ran, und ihre Version von „I will survice„, diesem Song für die Ewigkeit von Gloria Gaynor, treibt nicht nur Papa Burke den Saft aus sämtlichen Körperöffnungen.
Was für eine Show, was für ein Abend! Thank you very much, Mr. Burke!
(Übrigens: Das Foto stammt vom Wien-Konzert)
Ja, ich teile die Einschätzung des Autors, jedoch nicht uneingeschränkt. Natürlich spielt Mr. Burke in einer eigenen Liga, in der auch eigene – auf ihn abgestimmte – Regeln gelten. Daher werden hier auch Rock’n’Roll-Potpourris und Schlager-Evergreens – im Gegensatz zu weniger privilegierten Protagonisten hinter dem Thron des Meisters – mit Demut hingenommen. Die Erscheinung, der Majestätsgestus und – selbstverständlich Stimme und Darbietung seiner Hoheit machen den Charme und die Einzigartigkeit eines Konzerts von Solomon Burke aus. Dass dann gegen Ende der einen oder anderen Besucherin eine Rose gereicht wird, hat wohl auch mit dem erwähnten Majestätsgestus zu tun; meine eben erst entwickelten monarchistischen Neigungen beginnen jedoch schon wieder ein wenig zu schwinden – wohl Ausdruck meines wankellmütigen Charakters.
„And I think to myself …..what a wonderful world“ – ich sing’ nicht mit; die Hymne auf unsere – ach, so schöne – Welt ist mir dann – Verzeihung – doch zu platt.
„Lord I want to be in that number, when the saints go marchin´in“ – sing‘ ich trotzig auch nicht mit, – da mag‘ ich nämlich nicht mitmarschieren, mit den Saints.
Und dann ‚gute Nacht’ Solomon, schlaf gut. Den Leuten hat’s gefallen und gehen, ergriffen von der königlichen Segnung und dem Wissen, zu seinem Weiterverbleib auf den Bühnen dieser Welt beigetragen zu haben, glücklich nach Hause. Mit bleibt, noch eine lange und erfolgreiche Regentschaft zu wünschen; – und dem Autor noch viele erhebende Konzerterlebnisse … in entsprechend fachkundiger wie kritisch-aufgeschlossener Begleitung!