Bella Ciao

In einem Kommentar im heutigen Standard empört sich Karl Markus Gauß über die beinahe Nullreaktion Europas auf die rassistischen Maßnahmen gegen Roma und Sinti, die der „Hooligan des Wohlstands„, wie er Berlusconi treffend bezeichnet, und seine Regierung planen bzw. bereits exekutieren.

Dort (in Italien) werden seit letzter Woche allen Roma, deren die Polizei habhaft wird, die Fingerabdrücke abgenommen. Damit verstößt Italien nicht etwa gegen den Gleichheitsgrundsatz, indem bestimmte Gruppen vor dem Gesetz, das für alle gleich zu gelten hat, ungleich behandelt werden; nein, die italienische Regierung geht einen großen Schritt weiter zurück in die Vergangenheit des Landes, indem sie Gesetze beschließt, die überhaupt nur für eine einzige, ethnisch oder rassisch gefasste Gruppe der Bevölkerung gelten. Mit diesem Schritt hat sich Italien aus dem uns bekannten System des Rechtsstaates hinausbefördert, und es ist keine wohlfeile Empörung zu fragen, wann eine bestimmte Gruppe von Menschen im italienischen Pass mit einem R speziell gekennzeichnet wird.

Der unerhörte Vorgang wird von der italienischen Regierung und den Medien, in deren Besitz sich der Ministerpräsident des Landes befindet – auch das ein Menetekel, wie weit Italien auf dem Weg zur gelenkten Demokratie, zur plebiszitär legitimierten Telekratie geraten ist -, als Maßnahme beschrieben, die notwendig sei, um der Kriminalität Herr zu werden; eine Begründung, so unverschämt und komisch, dass man sie sich in Ruhe zu Gemüte führen muss.

Sorgte sich die italienische Regierung wirklich wegen der Kriminalität, statt für sie zu sorgen, dürfte sie ihren Ministerpräsidenten nicht mit immer neuen Sondergesetzen davor bewahren, für seine kriminellen Machenschaften zur Rechenschaft gezogen zu werden; dann müsste sie die Anti-Mafia-Behörden, die davon ausgehen, dass mindestens ein Fünftel der Parlamentarier – jedweder Fraktion – sich auf der Gehaltsliste krimineller Organisationen befindet, in ihrer Arbeit unterstützen, statt sie notorisch zu behindern; dann müssten der Bürgermeister von Rom und der Innenminister ihrer Ämter enthoben werden, weil sie, die so lange gehetzt haben, bis der Mob folgsam mit Pogromen reagierte, die Eskalation nun zur Begründung dafür nehmen, den Staat autoritär aufzurüsten, vorgeblich um dem von ihnen selbst bestellten Volkszorn Einhalt zu gebieten. Genau dies war übrigens die Strategie der Faschisten: die chaotische Situation eines drohenden Bürgerkriegs herzustellen, um sich in ihr als einzige Macht zu präsentieren, die wieder für Ordnung und Ruhe sorgen kann. (…)

Die Armut selbst ist es, die kriminalisiert wird, und die Roma sind da ein zwar willkommenes, weil nahezu wehrloses Objekt der allgemeinen Verachtung und staatlichen Verfolgung, aber gemeint sind keineswegs nur sie; sicher dürfen sich gerade die nicht fühlen, die jetzt als machtlose Schlägerbrigaden der Mächtigen in Neapel und anderswo auf jene losgehen, die noch ärmer sind als sie.“ (…)

Kein europäischer Staats- oder Regierungschef, kein Mitglied der österreichischen Bundesregierung und kein Nationalratsabgeordneter, haben bislang auch nur irgendeine offizielle Stellungnahme zu den Vorfällen in Italien abgegeben. Hingegen das Europäische Parlament: In einer am 10. Juli angenommenen Resolution wird die italienische Regierung zum Stopp der geplanten biometrischen Erfassung der Roma aufgefordert,

da dies eindeutig einen Akt der Diskriminierung aus Gründen der Rasse und der ethnischen Herkunft darstellen würde, der nach Artikel 14 der Europäischen Menschenrechtskonvention untersagt ist, und außerdem ein Akt der Diskriminierung der Unionsbürger, die von Roma oder Nomaden abstammen, gegenüber denjenigen wäre, die eine solche Abstammung nicht haben und sich solchen Verfahren nicht unterziehen müssen„.

Diese Resolution wurde gemeinsam von ALDE (Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa), den Grünen sowie der GUE/NGL-Fraktion (Vereinte Europäische Linke/Nordische Grüne Linke) eingebracht. 336 Abgeordnete stimmten dafür, 220 Parlamentarier sprachen sich dagegen aus (!) und 77 enthielten sich ihrer Stimme.

Die Resolution hat mittlerweile dazu geführt, dass die italienische Regierung die Fingerprint-Erfassung von Roma und Sinti nicht durchführen will – sondern nunmehr plant, gleich alle in Italien lebenden Menschen biometrisch zu erfassen.

Niemand soll sich mehr sicher fühlen! Das ist die Botschaft, die notabene nicht so kommuniziert wird, sondern: „Wer nichts zu verbergen hat, hat auch nichts zu befürchten!“

In Zeiten wachsender ökonomischer und sozialer Krisen in ganz Europa wird diese von der italienischen Regierung ausgegebene Botschaft von den anderen europäischen Regierungen zustimmend aufgegriffen werden. Konkrete Pläne dazu existieren in ganz Europa.

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