Gestern, am 8. Dezember, dem einzigen katholischen Feiertag des Jahres, an dem über 70% aller Geschäfte geöffnet haben, und an dem die Menschen von Bregenz bis Wien ordentlich gekauft haben, wie man den Medienberichten entnehmen kann, also, ein insbesondere in Zeiten der Wirtschaftskrise absolut vernünftiges Verhalten an den Tag gelegt haben, verließ ich gerade das AIDA-Kaffee am Stephansplatz, als eine anschwellende Menschenmenge vom Graben her sich in meine Richtung hin bewegte. Angeführt vom Kardinal in Festtagspracht zogen ältere und jüngere LodenmäntelträgerInnen im Schweigemarsch über den Platz zum Dom, in dem sie, begleitet vom Fotohandy-Blitzlichtgewitter der vorwiegend italienischen Touristen und vom Dauergebimmel der Glocken, allmählich verschwanden. Nach etwa fünf Minuten war der Spuk vorbei.
Stunden danach fand ich folgende Pressemitteilung der Kath-Press:
„Am Marienfeiertag, dem 8. Dezember, gibt es auch heuer die schon traditionelle Immaculata-Feier in der Wiener Innenstadt. An dieser Feier haben in den letzten Jahren jeweils tausende Gläubige teilgenommen. Die Feier gilt dem Hochfest der „ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria“. Die von Kardinal Christoph Schönborn geleitete Feier beginnt um 16 Uhr bei der Mariensäule Am Hof, an jenem Platz, wo Papst Benedikt XVI. seinen Österreich-Besuch im Vorjahr begonnen hat. Nach einer „Statio“ ziehen die Mitfeiernden in einer Lichterprozession zum Stephansdom, wo sie vom Festgeläute der Domglocken empfangen werden. Die Blasmusik des Musikvereins Rudolfsheim-Fünfhaus begleitet die Prozession über den Graben zum Stephansdom; Hunderte Ministranten und Fackelträger aus allen Teilen der Erzdiözese Wien werden mit der Prozession mitziehen. Der Einzug in den Dom mit der Ikone von „Maria Pocs“ (zirka 16.45 Uhr) eröffnet die Marienvesper, die von der Dommusik mit Bläser- & Chormusik von Mendelssohn, Schubert und Bruckner gestaltet wird. Mit dem feierlichen Pontifikalsegen des Kardinals wird der Gottesdienst beschlossen.„
Besonders ärgerlich ist vor allem jene am Vortag unterzeichnete „Petition für den Schutz des 8. Dezember„, die nicht nur vom Kardinal, sondern auch vom Vorsitzenden der Gewerkschaft der Privatangestellten, Wolfgang Katzian, und Billa-Vorstandssprecher Volker Hornsteiner unterzeichnet wurde. Die Billa-Filialen blieben am 8. Dezember geschlossen, wie wir den seit Tagen beinahe im Minutentakt ausgestrahlten Werbespots des Rewe-Konzerns entnehmen konnten.
„Es scheint, als gäbe es immer weniger Zeit für uns selbst, unsere Kinder, unsere Freunde und unsere Familien. Aus diesem Grund haben wir uns entschlossen, heuer am 8. Dezember nicht aufzusperren und diesen Tag unseren Mitarbeitern zu ihrer freien Verfügung zu stellen.“ (Billa-Vorstandssprecher Volker Hornsteiner)
Wenn ein katholischer Kardinal die Billa-Aktion als „Zeichen der Hoffnung“ bezeichnet und die andere Hälfte der MitarbeiterInnen des Rewe-Konzern, die vom Hoffnungszeichen dieses Mal nicht gestreift wurden, weil sie blöderweise an diesem Tag in den sehr wohl geöffneten Merkur-, Penny- oder Bipa-Filialen des Konzerns werken mussten, möglicherweise in seine Gebete einschließt, dann kratzt mich das nicht wirklich. Von einem Gewerkschaftsboss erwarte ich mir hingegen, dass er allein schon auf Grund seines ökonomischen Verstandes und der jüngsten Entwicklungen eine derartige Schmus-Petition nicht unterzeichnet.
Dazu einige Meldungen aus den letzten Tagen:
1,9 Millionen Menschen haben in den USA seit Jahresbeginn ihren Job verloren, 533.000 allein in November. Die Arbeitslosenrate liegt gegenwärtig bei rund 6,7 Prozent, und sie könnte auf 10 Prozent bis Ende 2009 steigen. Nach der Finanzbranche hat die Krise den Servicebereich erfasst. Detailhändler, Hotels und Restaurants entlassen massenhaft Angestellte. Die Menschen konsumieren weniger, weil sie ihren Job bereits verloren haben oder aus Furcht davor, entlassen zu werden. Das schadet den Unternehmen, die daraufhin weitere Jobs abbauen.
Der US-Werbemarkt wird 2009 voraussichtlich um 5,7 Prozent und der westeuropäische Werbemarkt um ein Prozent zurück gehen. Noch vor einem Monat waren Zuwächse von 0,9 beziehungsweise 2,6 Prozent prognostiziert worden.
Sony wird seine Kosten massiv senken, 8.000 Stellen streichen, seine Investitionen zurückfahren und sich obendrein aus unprofitablen Geschäftssparten zurückziehen. Der Konzern plant, weltweit 10% seiner Produktionsstätten zu schließen.
Nokia kündigte weitere Kostensenkungen an, um die Rückgänge durch den schrumpfenden Markt zumindest teilweise auffangen.
General Motors und Chrysler droht womöglich noch diesen Monat die Insolvenz, wenn sie nicht die ersten Milliarden Dollar erhalten. Beide Konzerne haben bereits Juristen eingeschaltet, um die Möglichkeit, ein Inolvenzverfahren einzuleiten, zu prüfen. Allerdings würde dies Chrysler 20 Milliarden Dollar kosten, vom Kongress hatte der Konzern 7 Milliarden Dollar an Krediten gefordert. Bei GM würde eine Insolvenz 40-50 Milliarden Dollar kosten – vom Staat will man Kredite in Höhe von 18 Milliarden.
Angesichts dieser Meldungen müsste die Gewerkschaft vielmehr das tatkräftig unterstützen, was Robert Misik in seinem Kommentar unter dem treffenden Titel „Gehen Sie einkaufen! Jetzt! Sofort!“ anregt, und zugleich endlich massiv für eine gerechtere Verteilung des Bruttosozialproduktes eintreten.